Joggen in der Schwangerschaft: Die Bewegung bleibt, auch wenn das Laufen pausiert

Joggen in der Schwangerschaft: Die Bewegung bleibt, auch wenn das Laufen pausiert

Gastartikel von Stephie Brölingen

Es gibt Phasen im Leben, in denen sich selbst liebgewonnene Routinen verändern. Manchmal geschieht dies freiwillig, manchmal aber auch, weil der Körper ein deutliches „Stopp“ sendet. Für mich war das Laufen über viele Jahre nicht nur Sport, sondern auch Ausgleich, Kraftquelle und Glücksmoment.

Doch während meiner Schwangerschaft musste ich lernen, diese feste Konstante loszulassen und mich auf neue Formen der Bewegung einzulassen. Was zunächst wie ein Verlust wirkte, entpuppte sich am Ende als wertvolle Erfahrung, die meinen Blick auf Sport und auf meinen Körper dauerhaft verändert hat.

So fand ich zum Laufen

Mit 15 Jahren zog ich zum ersten Mal Laufschuhe an. Damals war meine Motivation tatsächlich ziemlich simpel: Ich wollte abnehmen, und Joggen erschien mir der naheliegendste Weg. Was ich damals nicht ahnte, war, dass dieses Ausprobieren der Beginn einer langen und guten Beziehung sein würde. Schon nach einem meiner ersten richtigen Läufe erlebte ich dieses euphorische Gefühl, das viele Läufer:innen kennen: das sogenannte Runner’s High. Nach diesem Erlebnis ging es nicht mehr nur ums Kalorien Verbrennen, sondern auch darum, wie gut sich das Laufen in der Natur anfühlte.

Beim Laufen konnten meine Gedanken frei fließen, mein Körper fand in einen gleichmäßigen Rhythmus und mein Gehirn bekam mehr Sauerstoff. An dieses Gefühl erinnert sich mein Körper auch heute noch, sobald ich daran denke. Nach dem Laufen fühlte ich mich immer ausgeglichener und gelassener als davor. Vorherige Anspannung war einem Gefühl der Gelöstheit gewichen und ich konnte mich richtig entspannen.

Außerdem war es für mich eine der unkompliziertesten Arten in Bewegung zu kommen: alles, was ich brauchte, waren Laufschuhe und ein Weg. Letzterer sollte möglichst  an der frischen Luft und am liebsten draußen in der Natur sein, damit Körper und Geist gemeinsam durchatmen können. Während eines Auslandsjahres in den USA lief ich in einem Cross Country Team und nahm an Wettkämpfen teil. Diese Zeit hat meine Liebe zum Laufen noch einmal vertieft und meine Kondition gleich mit 🙂 Die Liebe zu Wettkämpfen ist nicht geblieben, die zum Laufen dafür umso mehr.

Laufen in der Schwangerschaft: das sagt die Forschung – das sagt mein Körper

Als ich schwanger wurde, dachte ich erstmal, dass alles weiter geht wie bisher. Ich wusste zwar, dass Laufen und speziell Sport in der Schwangerschaft eine Belastung für den Beckenboden darstellt, wie genau sich dieser ominöse Beckenboden anfühlt, war mir bis dato jedoch völlig unklar. Somit war das schon mal kein Argument gegen das Joggen.

Was ich auch wusste war, dass ich während meiner Schwangerschaft die Sportarten, die ich vorher regelmäßig gemacht habe, grundsätzlich weitermachen kann. Dabei ist eben vor allem wichtig, dass ich mich gut fühle. Meine Frauenärztin bestätigte genau das: Solange ich keine Schmerzen habe und mein Körper sich wohlfühlt, darf ich weiterlaufen und jeglichen Sport treiben.

Das beruhigte mich und tatsächlich stützt auch die Wissenschaft diese Haltung.

Sport in der Schwangerschaft hat positive Auswirkungen

Verschiedene Studien zeigen, dass regelmäßige Bewegung in der Schwangerschaft nicht nur sicher ist, sondern auch Vorteile mit sich bringt: Ein systematisches Review im British Journal of Sports Medicine (vgl. Davenport et al., 2018) belegt, dass Schwangere, die aktiv bleiben, ein geringeres Risiko für Schwangerschaftsdiabetes, übermäßige Gewichtszunahme und Bluthochdruck haben. Das American College of Obstetricians and Gynecologists empfiehlt dabei mindestens 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche, immer angepasst an das eigene Fitnesslevel.

Speziell zum Laufen gibt es ebenfalls positive Ergebnisse: Eine Untersuchung mit über 1.200 Parkrun-Teilnehmer:innen (vgl. Owe et al., 2015) hat ergeben, dass Laufen in der Schwangerschaft weder das Geburtsgewicht noch den Zeitpunkt der Geburt negativ beeinflusst. Dabei sei es besonders wichtig, auf Warnsignale des Körpers zu achten. Dazu gehören zum Beispiel Schmerzen, ein harter Bauch oder Ziehen im Unterleib. Also sowohl aus der Forschung als auch von ärztlicher Seite aus gab es grünes Licht, solange sich mein Körper wohl dabei fühlt. Mein Körper traf jedoch eine andere Entscheidung und gab mir das auch deutlich zu verstehen.

Als mein Körper mir signalisierte: Jetzt solltest du mit dem Laufen aufhören

Vor der Schwangerschaft lief ich ein- bis zweimal pro Woche. Ich tat dies nicht, um Bestzeiten zu erzielen, sondern um in der Natur zu sein, den Kopf freizubekommen und mich körperlich ausgelastet zu fühlen.

Zu Beginn der Schwangerschaft lief ich ein paar Mal los und war ganz gespannt, wie sich das anfühlen würde. Leider spürte ich aber schon kurz nach dem Loslaufen ein unangenehmes Ziehen im Unterleib und so eine Art Druckgefühl. Anfangs ignorierte ich das noch, in der Hoffnung, dass sich mein Körper nur umstellen müsse und die Schmerzen bald verschwinden.

Dies hatte ich vorher bei Knieschmerzen schon häufiger erlebt: die waren anfänglich da und verschwanden nach ein paar Minuten wieder. Bei einem Lauf wurde mein Bauch jedoch ganz hart und das Ziehen verstärkte sich, sodass mir klar war: hier stimmt etwas nicht! So kann ich nicht weitermachen! Eine bittere Erkenntnis.

Das Laufen aufzugeben, war für mich anfänglich wahnsinnig schwer. Es fühlte sich an, als hätte ich plötzlich einen wichtigen und vor allem leichten Zugang zu Bewegung verloren. Was sollte ich denn stattdessen tun, um meinen Bewegungsdrang zu stillen? Ich suchte nach Möglichkeiten, diesen Verlust zu kompensieren, las mich durch Foren und fragte mich, ob ich nicht doch einen Weg finden könnte, weiterzulaufen. Doch mein Körper hatte seine Entscheidung bereits für mich getroffen und ich musste lernen, diese anzunehmen.

Neue Wege der Bewegung: Walking, Radfahren, Klettern

Es begann also ein innerlicher Prozess und dieser war  nicht von heute auf morgen abgeschlossen. Erstmal bewegte ich mich kaum noch. Das führte jedoch schnell zu einer wachsenden Unzufriedenheit und inneren Anspannung. Schnell war klar: keine Bewegung ist auch keine Lösung.

Anstatt mich also weiter gegen diese mir auferlegte Grenze zu wehren, begann ich andere Bewegungsformen auszuprobieren. Ich ging viel spazieren, oft einfach durch meinen Kiez. Dabei entdeckte ich immer wieder neue Ecken und Facetten meiner Umgebung und fand richtig Freude an den Erkundungstouren: hier ein süßes Café, dort immer wieder neue Verschenke-Kisten vor Hauseingängen oder auch ein verwinkelter Durchgang zu versteckten Hinterhof Oasen. Das machte einfach Spaß und die Bewegung war einfach natürlicher Teil des Ganzen. Oft nutzte ich die Zeit auch, um mit Freund:innen gemeinsam zu spazieren – etwas, dass ich beim Laufen ungern tat – und konnte so auch meine Beziehungen pflegen.

Für den Weg zur Arbeit kaufte ich mir ein neues Trekkingrad und erfuhr, wie viel mehr Spaß Radfahren mit einem hochwertigen Fahrrad macht, das nicht ständig “liegen” bleibt. Auf meinem Arbeitsweg achtete ich nun darauf, möglichst schöne und grüne Routen zu fahren, anstatt die schnellste Strecke zu wählen. Das morgendliche und nachmittägliche Radfahren wurde fester Bestandteil meiner Alltagsbewegung. Ich musste mich nicht einmal dazu motivieren und genoss die Kombination aus nützlicher und wohltuender Bewegung. Motiviert durch dieses neue Radelerlebnis probierte ich das Gravel Bike einer Freundin aus und fuhr mit ihr durch den Wald – das war eine wahnsinnig tolle Erfahrung, die mich in Teilen an das Laufen erinnerte und doch ganz anders war. Zwar kaufte ich mir nicht direkt ein eigenes Gravel Bike, fuhr aber immer, wenn sich die Gelegenheit ergab, gerne mit – und so mache ich es bis heute.. 

Außerdem kletterte und boulderte ich weiterhin. Beides sind Sportarten, die mir bis in den neunten Monat hinein möglich waren und die mir neben Krafttraining auch jede Menge Knobelspaß für den Kopf boten. Und auch hier nutzte ich die Zeit, um mit Freund:innen gemeinsam Sport zu machen und Soziales mit Bewegung zu verbinden.Yoga vor oder nach dem Bouldern half mir, beweglich zu bleiben und mich zu entspannen.

Zwar erzeugte keine dieser Aktivitäten dasselbe Gefühl wie ein guter Lauf, aber dennoch hatte jede Sport- und Bewegungsart ihre ganz eigene Qualität. Und mit der Zeit lernte ich diese Vielfalt sehr zu schätzen, sie bereicherte meinen Alltag ungemein. Etwas, das ich zu Beginn dieser “Reise” nicht erwartet habe.

Mehr Dankbarkeit & weniger Dogma: mein veränderter Blick als Läuferin auf Bewegung und Sport

Meine Schwangerschaft hat meinen Blick auf meinen Körper und auf Bewegung nachhaltig verändert. Ich habe gelernt, dankbar zu sein für das, was mein Körper kann und auch für das, was er einmal konnte. Dass ich überhaupt erfahren durfte, wie gut sich Laufen anfühlt, ist mehr als wertvoll. Außerdem hat sie mich Flexibilität und Offenheit gelehrt: sich auf ein oder zwei Sportarten zu beschränken, nimmt einem die Möglichkeit, die Vielfalt von Bewegung zu erfahren. Es ist definitiv bequemer bei den bekannten und geübten Bewegungsformen zu bleiben, aber etwas Neues auszuprobieren oder auch Altes umzudeuten ist mehr als lohnenswert.

Vor meiner Schwangerschaft habe ich „Sport machen“ oft mit bestimmten Erwartungen verknüpft: Ein Lauf musste mindestens 40 Minuten dauern und mir am Ende das besagte Runner’s High bescheren, damit es sich „gelohnt“ hat. Heute freue ich mich über jede Bewegung, egal wie lang oder intensiv sie ist. Ein halbstündiger Spaziergang mag mich nicht topfit oder wohlig müde machen, aber er macht mich zufriedener. Und das ist aktuell das Entscheidende für mich. Damit hat ein großes Umdenken in mir stattgefunden, für das ich sehr dankbar bin und das mir hoffentlich lange erhalten bleibt.

Ein Blick in die Gegenwart: Steht Joggen als Mama wieder auf dem Tagesplan?

Auch nach der Geburt meines Kindes stand Joggen erstmal nicht auf meiner Tagesordnung. Stattdessen ging ich nach der Wochenbettzeit sehr viel spazieren. Jede Schlafphase wurde genutzt, um Kilometer in der Natur zu machen. Ich erkundete nun noch weitere Strecken und Teile meiner Wohngegend und genoss diese Form der Bewegung sehr. Zum Ende meiner Elternzeit hin dauerten unsere Spaziergänge locker zwei Stunden und länger. 

Ein Blick in die Gegenwart: Steht Joggen als Mama wieder auf dem Tagesplan?

Oft spazierte ich irgendwo hin, verbrachte dort die Wachzeit mit meinem Kind und spazierte zur nächsten Schlafphase weiter. Wenn es mit dem Einschlafen einmal länger dauerte, joggte ich dann aber doch ein wenig 😉

Meine Laufreise ist für mich nicht abgeschlossen. Ich möchte gerne wieder anfangen zu laufen. Aktuell bin ich jedoch erneut schwanger und gebe meinem Körper einfach die Bewegung, die ihm gut tut. Wann und wie ich wieder zum Laufen finde, wird sich noch zeigen. Ich bin gespannt und freue mich drauf.

Fazit: Bewegung bleibt, nur ihre Form wandelt sich

Meine größte Erkenntnis aus dieser Zeit ist, dass sich Sportgewohnheiten verändern dürfen. Selbst ein Bewegungsmuster, das mich über 15 Jahre begleitet hat, kann sich neu erfinden. Was bleibt, ist die Bewegung selbst. Sie passt sich meinen körperlichen, räumlichen und zeitlichen Möglichkeiten an, nicht umgekehrt. Meine Aufgabe ist es nur, diese Veränderungen zuzulassen, sie anzunehmen, anstatt gegen sie anzukämpfen und am Alten festzuhalten. Eine schöne Erkenntnis.

Zur Gastautorin:

Ich bin Stephie – gebürtige Kölnerin, Wahlberlinerin, Trainerin und Dozentin im Bereich Gesundheitssport und Mama 🙂

Bewegung bedeutet für mich so viel mehr als nur Fitness oder Körperoptimierung. Sie ist für mich ein Weg, sich selbst wahrzunehmen, zur Ruhe zu kommen, Stress abzubauen und Verbindung zu schaffen – zu anderen und zu sich selbst.

In meiner Arbeit wie auch in meiner Freizeit geht es nie um Leistung, sondern immer darum, die Freude an der Bewegung (wieder) zu entdecken. Ob spielerisch beim Bewegungsspiel oder konzentriert an der Boulderwand – im Mittelpunkt steht immer der Spaß an der Sache.

Mehr Impulse und Inspiration rund um Bewegung und Gesundheit findest du auch auf meiner Seite: www.intuitiv-in-bewegung.de

Quellen:

Davenport, M. H., Meah, V. L., Ruchat, S.-M., Davies, G. A., Skow, R. J., Barrowman, N., Adamo, K. B., Poitras, V. J., Gray, C. E., Jaramillo Garcia, A., Barakat, R., & Mottola, M. F. (2018). Impact of prenatal exercise on maternal harms, labour and delivery outcomes: A systematic review and meta-analysis. British Journal of Sports Medicine, 53(2), 99–107. https://doi.org/10.1136/bjsports-2018-099821

Davenport, M. H., Ruchat, S.-M., Poitras, V. J., Garcia, A. J., Gray, C. E., Barrowman, N., Skow, R. J., Meah, V. L., Riske, L., Sobierajski, F., James, M., Barakat, R., Mottola, M. F., & Davies, G. A. (2018). Prenatal exercise for the prevention of gestational diabetes mellitus and hypertensive disorders of pregnancy: A systematic review and meta-analysis. British Journal of Sports Medicine, 52(21), 1367–1375. https://doi.org/10.1136/bjsports-2018-099355

Davenport, M. H., McCurdy, A. P., Mottola, M. F., Skow, R. J., Meah, V. L., Poitras, V. J., Gray, C. E., Jaramillo Garcia, A., Barrowman, N., Riske, L., Sobierajski, F., James, M., Nagpal, T. S., Marchand, A. A., & Ruchat, S.-M. (2018). Impact of prenatal exercise on neonatal and childhood outcomes: A systematic review and meta-analysis. British Journal of Sports Medicine, 52(21), 1386–1396. https://doi.org/10.1136/bjsports-2018-099836

Owe, K. M., Nystad, W., Stigum, H., Vangen, S., Bø, K., & Staff, A. C. (2015). Recreational running during pregnancy and its association with birth outcomes: A prospective cohort study. BMJ Open Sport & Exercise Medicine, 1(1), e000021. https://doi.org/10.1136/bmjsem-2015-000021

Foto von Lawrence Su von Pexels: https://www.pexels.com/de-de/foto/frau-joggt-im-sommer-auf-einem-waldweg-33407804