Ein Gastbeitrag von Nadin Eule
Rückblickend hätte über die Jahre auch alles wirklich komplett anders kommen können. Sport ist ein Teil von mir, seit ich denken kann. Wenn ich aber genau darüber nachdenke, brachten mich eher Zufälle von einer Station zur nächsten. Natürlich spielt auch eine große Portion Ausdauer und Willenskraft dabei eine Rolle. Dennoch gab es für mich keinen größeren, übergeordneten Plan. Vielmehr suchte ich im Sport immer den Ausgleich vom Alltag, genoss die Freude, die ich darin fand.
Es gab zahlreiche und sehr verschiedene Stationen. Jede für sich einzigartig und schön.
Leichtathletik, Gymnastik, Handball und Basketball bestimmte die ersten sportlichen Jahre. Es war nicht immer einfach mit Asthma alles immer so mitzumachen, wie ich es mir gewünscht habe. Leider vermochte sowohl kein Trainer als auch kein Lehrer mir die Angst vor dem langen Laufen zu nehmen. Stattdessen versuchte ich gerade beim Leichtathletik beim Sprint und Weitsprung immer alles zu geben. Der vermutlich genau falsche Weg, wenn man mit den Atemwegen zu tun hat.
Das änderte sich alles grundlegend, als ich mit siebzehn aus der Stadt raus auf’s Land zog und mich nur noch dem Laufen widmete. Sicher war das die Zeit, in der ich die Liebe zum Laufen so richtig entdeckt habe. Die Strecken wurden von ganz allein immer länger und in meinem Kopf wuchs mehr und mehr der Wunsch, irgendwann einen Marathon zu laufen. Einige Jahre zuvor hatte ich zwar erstmals von Ironman Athleten gehört, aber das landete in der Schublade: Wahnsinn, aber nicht machbar. Marathon hingegen war im Bereich des Möglichen.
In meinem Kopf gibt es Wunschlisten
-und zwar nicht wenige. Viele Wünsche werden für immer auf diesen Listen stehen bleiben und in Schubladen verschwinden. Viele gingen aber bereits in Erfüllung und ich bin mir ganz sicher, dass noch einige mehr folgen werden. Ich versuche nicht zwanghaft, etwas davon abzuhaken, aber es macht mir unendlich viel Freude Abenteuer zu erleben. Oft dauert es sehr lange, bis ich den Schritt letztlich wage, so selbstbewusst mit etwas umgehe, dass ich es schaffen könnte.
Meinen ersten Marathon lief ich, weil ich wissen wollte, wie es ist, die Ziellinie zu überqueren. Ich hatte so viel darüber gelesen, gehört und gesehen, dass ich es selbst ausprobieren musste. Anfang 20 war es dann soweit. Der Berlin Marathon ging fast an meiner Haustür vorbei. Also war das natürlich die erste Wahl. Mit fünf Stunden kroch ich fast ins Ziel, aber es war mit Abstand das Schönste, was ich bis dahin sportlich miterleben konnte. Einen Marathon zu laufen ist bis heute noch ein unglaubliches Gefühl. Jeder einzelne ist ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte.
Danach folgten einige, die ich mal gut und mal weniger gut absolvierte. Egal wie es letztlich ausging, es änderte nichts an der Leidenschaft zum Laufen und dieser Distanz. Als ich meinen zweiten Marathon planen wollte, beschloss ich mich in professionelle Hände zu begeben. Ich ließ in einer Klinik eine Spiroergomethrie machen, die ich teuer bezahlte und mir direkt sagen lassen musste, dass Laufen vielleicht doch nicht mein Sport wäre. Schon gar nicht diese langen Läufe. Wenn, dann sollte ich doch erst einmal bei kürzeren Distanzen anfangen.
Ich ließ mir dennoch von diesem Arzt, der auch mein Asthma unberücksichtigt ließ, einen Plan erstellen. Da ich ein Plan-Erfüller bin, zog ich nahezu Tag für Tag meinen Bleistift hervor, hakte ab und lief meinen zweiten Marathon in Rostock direkt mehr als eine Stunde schneller als den ersten.
Manchmal macht man etwas im Leben, ohne genau zu wissen, warum eigentlich
Da war dieses Uni-Schwimmen. Zwei Jahre stand ich morgens während des Semesters um sieben am Beckenrand und fragte mich in der Dunkelheit nicht selten, warum ich das überhaupt mitmache. Erst recht, wenn wir die Rollwende übten und ich irgendwo halb ertrinkend nach dem Sinn des Lebens fragte…
Vor zehn Jahren kaufte ich mir mein Rennrad. Bis dahin fuhr ich nur Stadtrad und vor Jahren hatte ich auch mal ein MTB, das ich ebenfalls nur in der Stadt fuhr. Aber ihr seht sicher, wo die Reise ganz unbewusst hinführt. Die Schublade des Unmöglichen sollte zwar noch Jahre verschlossen bleiben, aber da rüttelte etwas kräftig an ihr.
Bis 2010 haben sich irgendwie alle Fäden zusammengefunden und ich stand an der Startlinie meines ersten Triathlons. Der Sommer war einfach herrlich. Ich wälzte Bücher und Magazine, um mir meinen Trainingsplan dafür selbst zusammenzustellen. Ich fing bei null an. Kurze Distanzen sowohl beim Schwimmen als auch beim Radfahren und vor allem beim Laufen forderten mich ganz schön. Irgendwie konnte ich vorher nicht so richtig damit etwas anfangen. Ich wurde oft dafür belächelt, dass ich „nur“ Marathon lief und nie an kürzeren Wettkämpfen teilnahm.
Zwar gab es auch bei meinen Marathonvorbereitungen kürzere Intervalle, aber wirklich genossen habe ich die ruhigen, längeren Läufe. Schnelle Trainings waren die absolute Herausforderung. Dennoch hakte ich Woche für Woche alles brav ab. Das vielfältige Training hatte mich sofort gepackt. Ich wusste zwar noch nicht, was mich erwarten würde, aber eins stand da bereits fest.
Die Laufliebe wurde durch das Schwimmen und Radfahren nur noch stärker. Als ich die Sprintdistanz beim BerlinMan ins Ziel brachte, war ich unglaublich stolz auf das Erreichte. Mit meinem Finisher-Shirt, meinem BerlinMan Beutel und roten Renner spazierte ich aufgeregt aus der Wechselzone zu meiner Familie. Es war sofort klar, dass DAS meine Zukunft werden würde.
Pausen tun gut, auch wenn sie erzwungen sind
Leider folgte ein wahnsinniger Rückschritt im darauffolgenden Jahr. Ich musste eine Pause aufgrund eines Rückenproblems einlegen. Anschließend fing ich wieder bei null an. Sprichwörtlich bei null. Mit Hilfe von Physiotherapie begann ich bei den Füßen und änderte viel an meinem Laufstil.
Stabilisationstraining gehörte zwar auch vorher bereits zu meinen Trainings, das allerdings doch eher sporadisch. Von da an, war es ein essentieller Teil und auch Yoga schrieb ich eine neue Rolle in meinem Leben zu. Ich begann damit bereits einige Jahre zuvor, aber nun bekam es einen festen Platz in meinem Trainingsplan und Herzen. Mit deutlich weniger Laufeinheiten, viel Athletiktraining, Yoga, Schwimmen und Radfahren, kam ich innerhalb eines halben Jahres langsam wieder sprichwörtlich auf die Beine und zurück zu meiner Form.
Es war total verrückt zu beobachten, was sich alles änderte und wie viel besser ich in jeder Sportart wurde. Vor allem wurde ich trotz geringerer Laufumfänge schneller und ausdauernder. Ich tastete mich über ein weiteres halbes Jahr auch wieder an Wettkämpfe heran und begann mit einem kleinen 7km Lauf. Es folgten schnelle 10er und mitten im Winter ein Halbmarathon. Wie ich das gemacht habe, weiß ich bis heute nicht. Die kalte Jahreszeit ist für mich als Sommermensch absolut keine Zeit für Wettkämpfe. Vermutlich hatte ich einfach viel nachzuholen.
Die lange Pause war das härteste, was ich mental je erlebt hatte. Es war ein Wechselbad der Gefühle. Ein Professor wollte mich aufschneiden und ließ mich schockiert im Behandlungszimmer mit der Aussage zurück, dass ich nie wieder sportlich laufen werde. Zum Glück gibt es fähige Orthopäden und Physiotherapeuten, die mich nicht nur körperlich sondern auch mental aufbauten.
Die Angst läuft zwar seither mit, schwingt aber eher mahnend irgendwo im Hintergrund, als mich tatsächlich zu beeinflussen. So wie mein zweiter Marathon, war mein zweiter Halbmarathon ein voller Erfolg. Verbesserter Laufstil, deutlich weniger Laufkilometer, dafür härtere Einheiten, ließen mich mitten im Winter im Ziel unfassbar strahlen. Ich war zurück! Einem Triathlon im Sommer und ein Marathon im Frühjahr stand nichts mehr im Weg.
Weniger ist mehr
Irgendjemand sagte mal zu mir, dass ich mich nicht zu Bestzeiten laufe, sondern zu Bestzeiten atme. So falsch lag er damit nicht. Yoga zeigte mir nicht nur, wie ich mental fit werde. Es hält meinen Körper im Gleichgewicht und auch in schweren Asthmazeiten schafft es Abhilfe. Der Oberelbe Marathon im Frühling war so wie die letzten Läufe ein voller Erfolg.
Das war die Zeit, als ich auf das MyGoal Team aufmerksam wurde. Sie haben eine ähnliche Philosophie wie ich. Nicht die Umfänge brachten mich letztlich genau dort hin, wo ich damals war und auch heute bin. Noch nie war ich weniger Kilometer für einen Marathon gelaufen, als damals.
Zwar passt nicht jeder Wettkampf meiner Saison zum anderen, aber ich möchte mir für das schönste Hobby der Welt – dem Sport – die Freiheit bewahren, genau das machen zu können, worauf ich Lust und woran ich unglaublich viel Freude habe. So laufe ich lose hin und wieder Marathons, wenn ich ein schönes Ziel für mich entdeckt habe.
Triathlon ist aber seit 2012 das bestimmende Element in meiner Saisonplanung. Vier Jahre habe ich so von Sprintdistanzen bis hin zur Mitteldistanz alles absolviert. Meist drei bis vier Triathlons pro Jahr, die jeder für sich unglaublich faszinierend und fordernd waren. Ich kann mich auch bis heute nicht entscheiden, was nun die schönste Distanz ist. Es gibt nur Wettkämpfe, die immer mal wieder herausstechen. Alle lehrten mich etwas und sei es nur, dass man wirklich mehr schafft, als man sich selbst eigentlich zutraut.
Das Projekt Ironman
Das Selbstvertrauen nach diesen Wettkämpfen tatsächlich die Schublade mit all den unmöglichen Wünschen darin zu öffnen und mich für einen Ironman anzumelden, habe ich erst mit aktivem Mentaltraining gefunden. Diese Distanzen wollten nicht in meinen Kopf. Schwimmen konnte ich die nötige Distanz. Vier Kilometer waren keine Frage. Aber wollte und konnte ich anschließend noch Stunden auf dem Rad verbringen, um 180km zu fahren?!
Einen Marathon als Abschluss zu laufen, war durchaus realistisch. So wie damals mein erster auch. Ich war mir absolut bewusst darüber, dass es durchaus sein kann, dass ich den größten Teil davon gehen muss. Konnte ich wirklich im Fall der Fälle so viel Kraft und Energie aufbringen, dass ich zwei volle Arbeitstage unterwegs sein könnte? So ein Ironman kann schließlich auch mal 16 Stunden oder länger dauern. Was war mit Cut-off Zeiten? Es gab so viele Fragen und diese unüberbrückbare Hürde der Raddistanz.
Im vergangenen Jahr fiel dann irgendwann der Groschen und ich öffnete die Schublade. Ich wollte dieses für mich so Unmögliche, ich wollte dieses Ziel, ich wollte diese 5 Wörter hören. Genau diese 5 Wörter waren es letztlich auch, die mich durch die gesamte Trainingszeit, durch die Wettkämpfe davor, durch anstrengende berufliche Zeiten, die Pläne kreuzten und durch den Ironman brachten. Die Hürde der 180 Kilometer trug ich dennoch mit mir im Training herum. Aber sie wurde immer kleiner, desto länger die Trainingsausfahrten wurden.
Es half mir auch unglaublich, dass ich mich sehr auf die Radstrecke beim Ironman Switzerland freute. Letztlich suchte ich auch danach die Veranstaltung aus. Der Radabschnitt sollte vielversprechend und am liebsten etwas bergig sein. Mit Sicherheit würden 180 Kilometer mit zahlreichen Höhenmetern und zwei ordentlichen Anstiegen nicht einfach werden. Schon gar nicht für den anschließenden Marathon. Aber es würde auch nicht langweilig und zäh werden. Da war ich mir ganz sicher!
So wie auch bei kürzeren Distanzen setzten sich die einzelnen Elemente des Trainings irgendwann wie ein Puzzle zusammen. So wurde aus dem Unmöglichen ein Vielleicht und letztlich etwas, was tatsächlich im Bereich des Möglichen lag. Schon allein für diesen Moment, wenn man erkennt, dass man das tatsächlich schaffen könnte, hat sich die Vorbereitung gelohnt.
Ist man erst einmal im Ziel angekommen, stehen die Gefühle Kopf. Es sagt jemand, „Nadin, YOU are an Ironman“. Plötzlich ist all das, was man Monate lange vorbereitet hat, einfach vorbei. Da rutschte etwas von der Schublade Unmöglich in die Schublade, in der all die erfüllten Träume mit unzähligen Erinnerungen aufbewahrt werden. Das ist ein Moment, den man nicht beschreiben sondern nur erleben kann!
Über die Autorin:
Nadin Eule, bloggt sehr erfolgreich auf EisWuerfelImSchuh.de
Sie liebt insbesondere das Laufen, aber eigentlich alles was mit Fitness und Draußensein zu tun hat bereits ihr ganzes Leben. Den Triathlonsport hat sie erst vor einigen Jahren für sich entdeckt, was mit unglaublich vielen und positiven Erfahrungen verbunden ist, für die sie sehr dankbar ist.
Neben Triathlon vervollständigt sie Yoga und Surfen. Die oft so nötige Entspannung und die Balance zwischen ihrem Alltag und den sportlichen Ambitionen kann sie so besonders gut wahren.
Ihre Leidenschaft zum Sport teilt sie seit mehreren Jahren auf ihrer Seite EiswuerfelImSchuh.de | DAS Triathlon & Fitness Blog, das in Zusammenarbeit mit einem Sportfotografen entsteht.
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Und das meinen die Leser:
Wieder mal ein sehr sehr guter, fundierter und wertvoller Artikel! Vielen vielen Dank!
Ich genieße immer, von dir zu lesen. Bin begeistert von deinem Wissen und deinem Stil die Dinge auf den Punkt zu bringen ohne dass es „oberlehrerhaft“ wirkt. Eine wahre Freude 🙂
Hey Din,
jetzt komme ich endlich auch dazu, deinen Artikel zu lesen (die imaginäre Leseliste ist noch lang…). Wirklich krass, wie du dich Stück für Stück zu Triathlon entwickelt hast! Ich finde es extrem bewundernswert, dass du dich nicht hast entmutigen lassen, sondern trotz der gesundheitlichen Einschränkungen und unfähiger Ärzte weitergemacht hast.
Ich habe nach wie vor mega Respekt vor solchen Distanzen – wahrscheinlich weniger auf dem Rad als zu Fuß und im Wasser… Aber dank Vorbildern wie dir hab ich zumindest die Hoffnung, dass auch das sich einmal ändert. Danke, dass du deine Erlebnisse so offen und ehrlich geteilt hast!
Liebe Grüße,
Lotta
wahnsinn.
einfach motivierend deine Worte 🙂
Trainiere seit 2 Jahren sehr regelmäßig und möchte mich irgendwann dem iron Man Contest stellen 🙂 Hoffe die Motivation hält so gut wie bei dir 🙂
Lg
Es war mir eine große Freude, über meinen Weg zum Ironman hier berichten zu können! Ich hoffe, ich konnte einige Leser hier inspirieren, auch Träume häufiger wahr werden zu lassen.
Lieben Dank an Robert, für das schöne Feedback!
Sehr schöner, faszinierender Beitrag von Nadin, außerdem sehr motivierend. Kenne Nadin schon länger als Bloggerin und ihre Seite EiswürfelimSchuh. Ich finde, sie ist ein sehr sympathischer und willensstarker Mensch mit Vorbildfunktion, auch für mich als Rentner, der erst wieder angefangen hat, Sport zu treiben.
Danke für das tolle Interview!
Sportliche Grüße
Robert